Jessica Trocha – im Interview
Wir Musical-Fans haben der Musicaldarstellerin Jessica Trocha ein paar Fragen gestellt.
Jessica Trocha wuchs im Ruhrgebiet auf und sammelte am Theater Marl erste Erfahrungen auf der Bühne.
Sie blieb ihrem Kohlenpott treu und studierte an der Folkwang Universität der Künste Schauspiel, Gesang und Tanz und gastierte während ihres Studiums am Theater Bonn und Theater Dortmund. Dort war sie bereits in der Partie der Graziella in WEST SIDE STORY zu erleben und kehrte in den Spielzeiten 2019/20 und 2020/21 als Nellie in JEKYLL & HYDE auf die Bühne des Opernhauses zurück.
Jessica gewann gemeinsam mit ihrem Kollektiv den Folkwang Preis 2019 für ihre erste Stückentwicklung des Musicals „Wo man Feststeck
Im Sommer 2020 wäre sie bei den Freilichtspielen Tecklenburg in SISTER ACT und DER BESUCH DER ALTEN DAME auf der Bühne gestanden. Leider mussten diese Produktionen Covid-19-bedingt auf 2021 verschoben werden. Die durch die Pandemie entstandene Zwangspause nutze Jessica und drehte ihren ersten Kurzfilm KAMMERJAGD in Kooperation mit der Bauhaus-Universität Weimar.
Das Interview wurde im Oktober 2020 geführt.
War es immer dein Ziel auf der Bühne zu stehen oder hattest du einen anderen Berufswunsch?
Ich kann mich ehrlich gesagt nicht daran erinnern, aber bei meinem letzten Umzug habe ich durch ein altes Freundschaftsbuch aus der Schulzeit geblättert und da wussten damals schon alle, dass ich unbedingt auf die Bühne möchte. Also denke ich ja.
Du hast 2020 deine Musicalausbildung an der Folkwang Universität der Künste in Essen abgeschlossen. Was nimmst du aus dieser Ausbildung mit?
Du kommst an die Uni als junger, orientierungsloser Mensch und wirst geschliffen und poliert und ständig mit dir selbst konfrontiert bis du irgendwann nach vier Jahren glaubst zu wissen, wer du bist. Dann landest du im sogenannten „Draußen“ und beginnst wieder komplett von vorne. Um die Frage also zu beantworten: aus diesem Studium nehme ich mit, das Leben als Prozess zu sehen und keine Angst vor innerlichen und äußerlichen Veränderungen zu haben.
Was waren für dich die größten Herausforderungen in deiner ersten Zeit als Darstellerin?
Meiner Angst und meinen Selbstzweifeln gegenüber zu treten und meinem inneren Schweinehund laut und deutlich „Scheiß drauf, du kannst das!“ zu sagen.
Was würdest du jemanden raten, der Musicaldarsteller/-in werden möchte? Eine gute Entscheidung oder lieber nochmals durchdenken?
Die beste Entscheidung!
Was braucht man aus deiner Sicht, um im Musicalbusiness erfolgreich zu sein?
Ich denke nicht, dass es das eine Erfolgsrezept gibt, vor allem weil jeder Mensch Erfolg individuell definiert. Wenn ich aber daran denke, was mir geholfen hat und hilft, ist es, sich nicht zu sehr einzuschränken, sondern sich in vielfältige Projekte zu stürzen. Was sonst natürlich absolut zum Erfolg dazugehört ist Freundlichkeit gegenüber dem gesamten Kollegium. Niemand arbeitet gerne mit Egomanen zusammen.
Musicaldarsteller vereinen ja den Mix aus Gesang, Schauspiel und Tanz. In welchem dieser drei Bereiche fühlst du dich am wohlsten?
Das wechselt je nach Tagesstimmung.
Du hast bisher nicht nur in Musicals gespielt, sondern warst auch auf der Theaterbühne zu sehen. Bist du trotzdem auf Musical fokussiert oder siehst du dich als Künstlerin mit einem breiten Betätigungsfeld von Musical über Theater bis zu Film/TV, Sprechertätigkeit oder Werbung?
Positionierung ist wichtig und nötig, in allen Lebensbereichen. Aber wohin mich mein künstlerischer Weg führen wird und was ich dann am Ende sein werde, weiß ich nicht. Ich kann mich aber durchaus mit dem Ausdruck Künstlerin identifizieren.
Wie ist es so in Rollen zu schlüpfen? Wie viel Jessica steckt in jeder Rolle?
Ich liebe es, sonst wäre es nicht mein Beruf. Die Welt aus einer anderen Perspektive, aus einer anderen Sicht zu erforschen, zu sehen ist immer aufregend. Ich lerne von jeder Rolle jedes Mal etwas Neues über mich selbst.
Welche Rollen würden dich zukünftig besonders interessieren und warum?
Politische, feministische und lustige Frauenrollen.
Du hast vor deinem Musicalstudium auch Kulturwissenschaft studiert. Was konntest du aus diesem Studium mitnehmen und wie wichtig ist diese Studienerfahrung für deine persönliche und berufliche Entwicklung gewesen?
Also die ehrliche Antwort ist, dass ich beim ersten Vorsprechen an der Folkwang nicht angenommen wurde und mir dann einen Plan B überlegen musste. Deswegen kam ich auf Kulturwissenschaften in Dortmund, weil ich dort Musik- und Wirtschaftswissenschaftskurse belegen konnte. Im Grunde habe ich also Kulturmanagement studiert. Auch wenn mich das wissenschaftliche Arbeiten gelangweilt hat, hat es mich natürlich persönlich weitergebracht.
2019 hast du gemeinsam mit deinem Kollektiv den Folkwangpreis für die Musicalentwicklung „Wo man Feststeckt“ erhalten. Interessiert dich als Musicaldarstellerin denn auch die Arbeit vor bzw. hinter der Bühne oder war die Musicalentwicklung nur ein kleiner Ausflug im Zuge deiner Ausbildung?
Meinen ewigen Antrieb und meine Motivation ziehe ich aus dem Ehrgeiz, einen Teil dazu beizutragen, das Genre „Musical“ positiv mitzugestalten. Und da liegt es nahe, auch wenn ich nicht als Autorin ausgebildet bin, selber Stücke zu schreiben. Mich nervt der alltägliche Sexismus und die Darstellung der Frau, aber auch die Trivialität, mit der das Musicalgenre konfrontiert wird. Ich finde, dass es kein besseres Genre gibt, um Komödie und Drama zu verbinden und sich gleichzeitig politisch zu positionieren.
Du sprichst neben Deutsch, Englisch und Französisch auch muttersprachlich Polnisch – und außerdem Slawisch und Ruhrdeutsch. Hast du deine vielfältigen Sprachkenntnisse auch schon auf der Bühne verwenden können?
Klar!
Was hältst du von Social Media? Zwingend notwendig für eine/n Künstler/in?
Das muss jede und jeder für sich selbst entscheiden. Ich finde es wichtig, aber hinterfrage es auch oft. Letztendlich ist es ein Netzwerk und eine Plattform mit all ihren Sonnen- und Schattenseiten.
Wie stehst du generell zum Thema „Vermarktung“ deiner Person? Wie wichtig ist Marketing und Kommunikation für dich als Musicaldarstellerin?
Na ja, als Selbstständige bin ich meine eigene Firma. Dazu gehört natürlich auch, dass ich mich vermarkten muss, um Jobs zu bekommen oder um zu verhandeln. Du musst deinen Wert kennen und dafür einstehen. Manche suchen sich eine Agentur, die das für dich dann erledigt. Das ist natürlich einfach, kostet aber Geld, was du gerade am Anfang deiner Karriere nicht hast. Ich jedenfalls nicht. Es ist natürlich nicht immer einfach, aber es gehört nun mal dazu.
Wie wichtig sind „Fans“ im Musicalbusiness und wie sind deine bisherigen Erfahrungen mit Fans?
Lustige Frage! Ich weiß nicht genau, worauf die Frage abzielt, aber ich versuche sie mal so zu beantworten: Ich bin ein Bühnenmensch. Ich bin dafür ausgebildet, auf der Bühne zu stehen. Bühne ohne Publikum macht keinen Sinn. Dann würde keine Kommunikation, kein Dialog entstehen. Das Theater braucht also Menschen, so wie Menschen das Theater brauchen. Wenn daraus Fans werden, ist das doch eine schöne Bestätigung für beide Seiten.
Hast du einen Lieblingsfilm oder gibt´s mehrere Filme oder Genres, die du besonders magst?
Keine Filme, ich suchte Serien. Meine absoluten Favoriten sind zurzeit Fleabag, Russion Doll, Stranger Things, Dark, Sex Education, How to Sell Drugs Online (Fast)…
Und welcher Song ist dein Lieblingssong?
Auf Spotify laufen momentan bei mir in Dauerschleife: Watermelon Sugar von Harry Styles und Midnight Sky von Miley Cyrus. Ansonsten liebe ich die 60er und bin ein großer Fan von Nancy Sinatra.
Was ist dein Lebensmotto und warum?
Ich habe kein konkretes, kommt drauf an, was gerade so in meinem Glückskeks steht.
WIR MUSICAL-FANS sagen „Danke für das Gespräch“.
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