Dawn Bullock – im Interview
Wir Musical-Fan haben der Musicaldarstellerin Dawn Bullock ein paar Fragen gestellt.
Dawn Bullock wurde in den Niederlanden geboren und nahm während ihrem MA Studium der englischen Sprache und Kultur an der Reichsuniversität Groningen und ihrer Tätigkeit als Englischlehrerin an einer Fachhochschule auch Gesangs-, Tanz- und Schauspielunterricht.
In ihrer bisherigen Bühnenlaufbahn war sie u.a. als “Rebecca” in TANZ DER VAMPIRE (Ronacher Wien (VBW) und Theater des Westens), SISTER ACT (Landestheater Linz), THE YOUNG MATTHEW PASSION und A LITTLE NIGHT MUSIC zu sehen. Außerdem spielte sie Mrs. Eisenberg in der englischsprachigen Webserie North.
Zusätzlich zu ihrer Tätigkeit als Darstellerin, führt Dawn auch Regie – u.a. THE PICTURE OF DORIAN GRAY, FRANKENSTEIN und THE DEEP BLUE SEA.
Zuletzt stand Dawn als “Rebecca” in TANZ DER VAMPIRE im Stage Palladium Theater Stuttgart auf der Bühne.
Das Interview wurde im Mai 2021 geführt.
War es immer dein Ziel auf der Bühne zu stehen oder hattet du einen anderen Berufswunsch?
Schon als Kind war mir klar, dass ich genau wie meine Eltern etwas in der Kunst machen wollte. Meine Eltern hatten eine Tanzschule. Meine Mutter war Balletttänzerin und mein Vater unterrichtete Gesellschaftstanz. Ich war die einzige, die sang. Ich wollte immer in diese Richtung gehen. Eigentlich gab es keinen Zweifel: vor der Kamera oder hinter der Kamera, auf der Bühne oder hinter den Kulissen – ich wollte unbedingt mit Kunst beschäftigt sein.
Du hast ein MA Studium der englischen Sprache und Kultur und zusätzlich auch Gesangs-, Tanz- und Schauspielunterricht genommen. Was nimmst du aus deinen Ausbildungen mit?
Ich bin sowohl Englischlehrer als auch Künstlerin. Ich denke beides ist nicht so weit voneinander entfernt.
Während meines Studiums standen Theater und Literatur im Mittelpunkt und ich lernte die Themen aus Stücken zu extrahieren und Charaktere aus akademischer Sicht zu analysieren. Als Lehrer steht man jeden Tag vor der Klasse und „spielt eine Rolle“, diesmal von sich selber heraus. Ein Lehrer ist ein Entertainer und bringt den Studenten auch etwas bei. Außerdem bin ich als Lehrerin auch Pädagogin und so gehe ich auch mit den Rollen um, die ich spiele: mit Empathie und Liebe.
Das habe ich auch im Theaterunterricht gelernt: ich sollte meine Rollen nicht beurteilen, sondern mit Empathie und Verständnis auf sie zugehen. Schließlich muss ich sie spielen und verstehen, warum sie das tun, was sie tun. Auch wenn es vielleicht ein weniger netter Charakter ist.
Was waren für dich die größten Herausforderungen in deiner ersten Zeit als Darstellerin?
Ich musste wirklich viel Unsicherheit überwinden. Ich hatte keine offizielle Ausbildung zur „Musikkünstlerin“ und als ich mit Größen wie z.B. Drew Sarich und Mark Seibert auf einen Schlag auf der Bühne stand, musste ich mich mit der Unsicherheit auseinandersetzen.
Das Kreativteam hat etwas in mir gesehen, aber am Anfang dachte ich immer: „Bin ich wirklich gut genug?“
Ich erhielt jedoch viel Unterstützung von Kollegen und selbst erfahrene DarstellerInnen haben mir gesagt, dass sie dies auch fühlen. Dadurch habe ich viel Kraft gewonnen. Ich hatte sicherlich das Gefühl, mich entwickeln zu können und unterstützt zu sein.
Was braucht man aus deiner Sicht, um im Musicalbusiness erfolgreich zu sein?
Man muss beide Füße auf dem Boden halten und man selbst bleiben. Es ist wichtig, gut mit Feedback und Kritik umzugehen und bereit zu sein, sich als Künstler und als Person weiterzuentwickeln.
Wie ist es so in Rollen zu schlüpfen? Wie viel Dawn steckt in jeder Rolle?
Ich versuche in allen Rollen etwas von mir zu finden. Bis jetzt wurde ich auch in Rollen besetzt, die mir als Person gut passen. Ich habe mich immer etwas sanfter an Rebecca in TANZ DER VAMPIRE gewandt. Am interessantesten fand ich den Moment, als sie ihren Mann verlor. Bis dahin war sie hauptsächlich eine lustige Karikatur. Plötzlich sehen wir etwas sehr Menschliches in ihr: rohen Kummer. Leider musste ich in meinem Leben viel verlieren und habe das mitgenommen, um diese Rolle richtig zu erfüllen. Es war mir wichtig, dass Rebecca nicht nur als etwas Lustiges und Absurdes angesehen wurde, sondern als eine Person voll Emotionen, wie Neid, Liebe und Trauer.
TANZ DER VAMPIRE ist ja ein Musical, das viele Menschen zu tiefst fasziniert. Welche Faszination hat dieses Musical aus deiner Sicht oder mögen Menschen einfach Vampire so gerne?
Es scheint mir eine Kombination aus Musik, Kostümen, Make-up, Beleuchtung, Dekor und Geschichte zu sein. Man kann sich in dieser Welt gut „verlieren“. Jim Steinmans Musik ist natürlich einfach wahnsinnig gut und bleibt im Kopf. Darüber hinaus hat das Stück Rollen, die faszinieren. Ich denke nicht nur die Vampire, sondern auch Sarah, Alfred, Professor Abronsius, Chagal usw. Vampire sind zeitlos. Ich mag auch selbst Vampire. Ich liebe Bram Stoker‘s Dracula, habe Buffy, the Vampire Slayer und die Bücher von Anne Rice immer geliebt. Es hat etwas Romantisches gemischt mit Gefahr. Das ist sexy. Das ziehst an.
Welche Rollen würden dich zukünftig besonders interessieren und warum?
Auf jeden Fall Becky in Waitress. Ich bin ein großer Fan von Sara Bareilles und das Musical besteht aus so vielen erkennbaren Themen. Becky in Waitress ist wirklich eine riesige Bucket-List-Rolle. Ich würde auch gerne Jenna spielen, aber ich bin körperlich nicht der Typ dafür, haha.
Die Rolle der Frau Wolf in Elisabeth würde ich gerne spielen: Ich finde die Musik und die Geschichte von Elisabeth unglaublich gut. Und dann noch die Gräfin Larisch in Rudolf: Affaire Mayerling scheint für mich fantastisch. Ich mag mütterliche Rollen, die Emotionen enthalten. Außerdem würde ich wirklich gerne eine schreckliche Bösewichtin spielen, wie Ursula in Arielle, die Meerjungfrau.
Und ganz ehrlich: Als übergroße Frau halte ich es für wichtig, dass die Menschen uns auch als wertvolle und vollständige Frauen sehen, die auch Romantik und Leidenschaft haben können. Warum kann eine dicke Frau nicht eine leidenschaftlichen Beziehung haben? Es gibt kein Musical davon, aber ich würde gerne die Rolle von Helen in Neil LaBute‘s Fat Pig spielen. Darüber hinaus werden Fatphobie und die hohen Schönheitsideale, die Frauen erfüllen müssen, angeprangert.
Was hältst du von Social Media? Zwingend notwendig für eine/n Künstler/in?
Na eigentlich ja. Heute ist es sicherlich wichtig. Ich habe eine Hassliebe zu Social Media. Ich denke, es nimmt unnötig viel Zeit in Anspruch und wenn ich nichts etwas Besonderes zu sagen habe, dann finde ich es auch schwierig etwas zu posten.
Es bringt aber Kollegen und der Kunstwelt in Verbindung. Als Künstler tritt man ein bisschen in den Hintergrund, wenn man sich nicht so viel mit Social Media beschäftigt und das ist auch nicht gut. Ich finde es jedoch sehr wichtig, man selbst zu bleiben und ich lege ganz ehrlich weniger Wert auf soziale Medien als private Person. Darin muss ich noch eine Balance finden.
Es ist sicherlich auch eine gute Plattform, um über Dinge zu sprechen, die ich für wichtig halte, wie z. B. Körperpositivität und Mindfulness.
Ich unterrichte Englisch an Kommunikationsstudenten, die alles über Personal Branding wissen, deshalb sollte ich mich ein bisschen mehr darauf konzentrieren. Früher war es weniger wichtig, aber jetzt leben wir in einer Gemeinschaft, in der es sicher wichtig ist.
Es werden auch ständig neue soziale Medien entwickelt, wie TikTok. Manchmal fällt es mir schwer, Schritt zu halten.
Wie stehst du generell zum Thema „Vermarktung“ deiner Person? Wie wichtig ist Marketing und Kommunikation für dich?
Das ist eine knifflige Frage. Ich denke, dass es in meiner Arbeit als Künstlerin wichtig ist. Ich finde es aber weniger wichtig als „Dawn“. Ich bin ein extrovertierter Introvertierter und als Person suche ich nicht wirklich Aufmerksamkeit, aber als Künstler möchte ich das schon – immerhin lebe ich davon. Als Künstlerin ist es wichtig, viel im kommerziellen Auge zu sein und sich selbst zu vermarkten. Wie ich gerade angedeutet habe, liegt die Kunst darin, diese beiden Dinge in Einklang zu bringen.
Wie wichtig sind „Fans“ im Musicalbusiness und wie sind deine bisherigen Erfahrungen mit Fans?
Wenn wir keine Fans hätten, könnte eine Show wie „Tanz der Vampire“ nicht überleben. Fans sind für dieses Geschäft extrem wichtig. Ich habe hauptsächlich sehr angenehme Erfahrungen mit Fans. Die meisten sind sehr nett, respektvoll und rücksichtsvoll. Ich fand es etwas ganz Besonderes, wie engagiert Fans sind. Das war auch der Grund, warum ich es für wichtig hielt, den kleinen Ruhm zu nutzen, den ich hatte, um Dinge wie Körperpositivität aufzudecken. Es spricht so viele Fans an und sie halten es für wichtig, darüber mit mir und einander sprechen zu können. Auf diese Weise können sich Personen wieder verbinden. Ich finde das sehr schön.
Hörst du privat auch gerne Musicals oder gibt´s da andere Musikstile, die dir gefallen?
Ich bin mit Sicherheit ein Musical Fan. So habe ich natürlich angefangen. Ich liebe aber auch Rock und Metal, Jazz, Pop, Blues, Klassik. Ich muss sagen, dass ich beim Spielen einer Show auch gerne eine Weile keine Musik um mich habe. Ich genieße auch die Stille.
Und welcher Song ist dein Lieblingssong?
Ach je. Ich kann keinen auswählen. Ich höre viel Sara Bareilles und ich liebe viele ihrer Songs. Ich würde gerne ein Konzert nur mit Sara Bareilles Songs machen. Gerade liebe ich „A Safe Place To Land“, aber „She Used To Be Mine“ ist noch immer das Lied meines Leben. Ich höre sehr gerne melancholische Musik mit durchdringenden Texten.
Hast du einen Lieblingsfilm oder gibt´s mehrere Filme oder Genres, die du besonders magst?
Ich bin ein Star Wars und ein Herr der Ringe Nerd. Ich liebe wirklich nur die ursprüngliche Star Wars-Trilogie und ich mochte auch die Hobbit-Filme nicht.
Ich bin ein echter Cinephile und ich liebe viele Genres und schaue gerne etwas tiefer: Geschichte, Musik, Regie, Schauspiel usw. Es ist nicht immer schön mit mir ins Kino zu gehen, weil ich immer Kritik habe, haha. Ich liebe Horror und klassischen Horror, wie The Exorcist und Psycho. Und ich schaue gerne Fernsehserien wie Penny Dreadful und The Haunting of Hill House.
Was ist dein Lebensmotto und warum?
„The measure of love is to love without measure“ (das Maß der Liebe ist, ohne Maß zu lieben).
Vielleicht bin ich zu idealistisch, aber ich glaube nicht, dass Liebe mit einer Liste von Bedingungen existieren kann, die jemand erfüllen muss. Man kann Grenzen haben, aber Liebe ist bedingungslos.
Welche Frage möchtest du dir gerne noch stellen?
Was sind die größten Dinge im Leben, die ich heute gelernt habe?
Der Wir Musical-Fans – Wordrap
- Hund oder Katze: Beides
- Urlaub am Berg oder am Meer: Am Berg
- Facebook oder Instagram: Instagram
- Tag oder Nacht: Nacht
- Modetrends oder eigener Style: eigener Style
- Schwarz oder weiß: Schwarz
- Fantasyfilm oder Komödie: Fantasy
- Buch oder Zeitung: Buch
- Kraftsport oder Ausdauertraining: Kraftsport
- WhatsApp oder Signal: WhatsApp, was ist Signal?
- Wirtschaft oder Politik: Wirtschaft
- Tee oder Kaffee: Kaffee!!!
- Meine wertvollste Erfahrung in meinem Leben war: Eine Verbindung mit einer sehr wertvollen Person in meinem Leben. Keine andere Erfahrung kann damit mithalten.
- Mein bestes unnützes Talent: Nach einigem Training kann ich verschiedene Akzente / Dialekte auf Englisch recht gut imitieren.
- Diese Eigenschaften sind mir bei anderen Menschen wichtig: Empathie.
- Energie tanke ich durch: Quality Time mit meinen Lieben verbringen
- Zum Frühstück esse ich gerne: Pochierte Eier & Avocado mit Sriracha auf Toast
- Meine Lieblingsfächer in der Schule: Musik und Englisch
- Im Kühlschrank habe ich immer: Milch. Ich liebe Milch.
- Lernen möchte ich noch: Französisch
- Wenn ich 10 Mio Euro im Lotto gewinne, würde ich: Ich würde zuerst alle meine Schulden abbezahlen. Dann würde ich das meiste davon meinen Liebsten geben, um ihnen das Leben zu erleichtern. Dann würde ich einen Teil für gute Zwecke spenden. Ich würde auch ein wenig investieren, damit ich etwas für die Zukunft habe. Und den Rest würde ich auf ein Sparkonto legen.
- Meine 3 Lieblingsmarken sind: Tim Hortons (Kanadische Kaffeegesellschaft), Starbucks, Chanel (No. 5).
- Dafür lohnt es sich zu kämpfen: Liebe. Ich weiß, es ist ein Cliché, aber für mich sicher wahr.
- Das größte Abenteuer meines Lebens: Tanz der Vampire in Wien.
- Das möchte ich noch erreichen: Eine Familie mit meinen Lieben zu sein, die sehr weit weg wohnen und mit denen ich im Moment nicht zusammen sein kann.
- Erfolg ist für mich: Wenn meine Lieben und ich zufrieden sind.
Wir Musical-Fans sagen „Danke fürs Gespräch“.
Mehr zu Dawn Bullock auf Facebook und Instagram.
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