UPTEMPO im Gespräch – Philipp Nowicki im Interview
UPTEMPO e. V., die Initiative zur Förderung hochbegabter Musical-Nachwuchskünstler*innen, stellt Euch Philipp Nowicki, Teilnehmer der Musical Academy 2017, im Interview vor.
Das Interview wurde im Jahr 2019 geführt.
Du hast an der Folkwang Universität in Essen studiert. Wie beurteilst Du diese Zeit?
Ich fand das Studium eine der prägendsten Zeiten in meinem Leben bisher. Man hat so viel Zeit gehabt, sich mit sich selbst zu beschäftigen, weil man im Schauspiel ja auch erst einmal selbst an sich arbeiten und sich kennenlernen muss. Ich habe in den vier Jahren sehr viel gelernt und bin erwachsen geworden. Ich war zu Beginn des Studiums ja noch relativ jung mit 19 und da passiert einfach sehr viel. Der Unterricht war sehr gut, die Ausbildung sehr fundiert, abwechslungsreich und intensiv. An der Folkwang Uni ist das Studium sehr individuell und familiär fast schon.
Danach gab es für Dich einen fliegenden Wechsel zur UPTEMPO Musical Academy. Wie war das für Dich?
Ich fand diese Zeit sehr inspirierend. Also die Workshops fand ich cool, gerade auch mit Stefan Huber, weil er ja auch viel macht in der Musicalszene. Es war total bereichernd, mit ihm an einem Song und einem Monolog zu arbeiten. Und was mir besonders gefallen hat, dass man mal mit den anderen Absolventen Zeit verbringt und arbeitet, weil man sich ja sonst nicht kennenlernt. Denn jede Schule bildet für sich alleine aus und ich fand es toll, mal so ein Netzwerk aufzubauen, eben ohne Konkurrenz, sondern auf einer schönen, entspannten harmonischen Grundlage, weil man sich ja auch immer wieder sieht. Ein weiteres Highlight war für mich das Konzert mit den Ehemaligen, weil es ja schon etwas Besonderes ist, mit den großen Namen der Musicalszene auf der Bühne zu stehen.
Du bist anschließend zum Master Studium nach London gegangen. Wieso hast Du den Schritt gewagt und wie hast Du die Stadt erlebt?
Ich wollte immer mal im Ausland leben, im englischsprachigen Land. Ich dachte mir, dass ein Studium sich dafür anbietet, weil man einfach viele Möglichkeiten hat, und ich war nach meinem Bachelor mit 23 relativ jung. Ich hatte noch Wissensdurst und wollte mich noch besser ausbilden lassen in einem Land, wo Musical ganz anders gesehen wird als in Deutschland. Gerade London ist ja die Quelle für ganz viele Produktionen, für ganz viel Theater und Kultur. Ich wollte einfach mal von einer englischen Seite sehen, was die mir noch an Input geben können. Essen-Werden ist als Stadt ja sehr klein und mich reizte die Großstadt.
Wie war das an der Royal Academy of Music ganz konkret für Dich?
Der erste Unterschied war, dass wir 39 Studenten waren, was sehr viele Leute sind. Das war ein großer Unterschied zur Folkwang, wo es nur 6 waren. Das ergab eine ganz andere Dynamik. Wir waren auch in kleinen Gruppen und im Einzelunterricht. Trotzdem hat man viel mehr verglichen und abgeguckt und konnte sich inspirieren lassen, sich gegenseitig helfen und voneinander lernen. Es war sehr international. Ich war der einzige Deutsche, die anderen kamen aus Holland, Italien, Irland, Schweden und natürlich aus Großbritannien, jeder hat seinen Input mitgebracht. Das war sehr spannend, international zusammenzuarbeiten. Ich fand auch die Dozenten und die Master Classes toll, da viele Lehrende noch aktiv am West End arbeiten und inszenieren, wodurch man sehr viele wichtige Kontakte knüpfen konnte.
Welche Dozenten waren besonders angesagt?
Claude Michel Schönerg, der Komponist von Les Misérables, der war für mich ein Highlight. Von ihm selbst zu hören, wie er sein Material sieht, mit ihm daran zu arbeiten, das war schon sehr besonders. Auch Matt Ryan war sehr inspirierend, er ist ein ganz toller Regisseur
Unterschied sich die Art des Studiums von dem an der Folkwang Hochschule?
In London war es schon auch ähnlich, aber es hatte eine spezielle Handschrift. Musik, Text und Sprache gehen dort sehr ineinander über. Es gab viel Storytelling through song und nicht so eine Trennung wie in Deutschland, eher einen fließenden Übergang.
Deine nächste Station war im Oktober 2018 in Hamburg
Ja, ich habe in GHOST im Ensemble mit Cover Carl gespielt. Mein Ziel war es, in London zu bleiben, aber weil ich GHOST super gerne machen wollte, habe ich dafür vorgesprochen und dann hat es sich so ergeben. Für mich ging ein Traum in Erfüllung. Und dann kam die Audition für TINA, wieder am Stage Operettenhaus. Da war ich sehr froh, weil auch das Team vom Londoner West End hier gearbeitet hat. Ich dachte, das könnte mir vielleicht den Schritt nach London zurück leichter machen, wenn ich die mal kennenlerne. Man weiß ja nie, was als nächstes kommt. Das war auch mit ein Grund, ein Jahr länger in Hamburg zu bleiben.
Welche Rolle hast Du in TINA?
Ich bin Swing, lerne alle Männerrollen, die ich machen kann, das hängt ja von der Hautfarbe ab, z.B. Ehemann und Manager. Somit bin ich immer auf der Bühne, wenn andere ausfallen, das kann dann täglich eine andere Rolle sein. Momentan stehe ich im Schnitt 5-8 mal die Woche auf der Bühne.
Das erfordert eine hohe Flexibilität.
Genau und das macht es auch abwechslungsreich. Ich habe 4 Rollen und zusätzlich kleine Aufritte und ich muss auch alle Choreos von allen Positionen tanzen können.
Du erarbeitest Dir gerade eine richtig gute Basis, was den Beruf betrifft. Höre ich da eine gewisse Strategie heraus?
Ja, schon.
Denkst Du über die Zeit in 5 oder 10 Jahren nach?
Ja, klar, ich möchte dann immer noch auf der Bühne sein und tolle Rollen spielen. Aber ich habe auch gelernt, mit dem Fluss zu gehen. Man kann es eh nie planen, deswegen gucke ich, was sich so ergibt. Lass einfach meine Laufbahn in den Händen des Schicksals sozusagen.
Da könnte man ja nervös werden. Wie behältst Du da die Ruhe?
Gerade habe ich den Luxus, dass ich für ein weiteres Jahr fest angestellt bin und mir keine Gedanken machen muss. Aber natürlich ist man gegen Ende schon nervös, aber daran denke ich noch nicht.
Suchst Du Dir Menschen, die Dich prägen, an die Du dich hältst?
Keine speziellen. Ich lasse mich inspirieren von Leuten, die ich im Theater sehe.
Gibt es etwas, das Du unbedingt mal spielen möchtest?
Nein, da bin ich auch eh er offen. Es gibt Stücke wie NEXT TO NORMAL oder THE LAST FIVE YEARS, die mich sehr ansprechen.
… weil sie weiter in die Tiefe bohren?
Ja, weil sie eine Geschichte erzählen, die berührt, und weil die Musik sehr stimmungsvoll ist. Ich finde es immer schön, wenn Musik auch eine Ernsthaftigkeit hat und eine Geschichte erzählt. Aber die großen Shows sind auch toll.
Welche Eigenschaften sind für Dich in Deinem Beruf relevant?
Ganz weit oben stehen Disziplin und Fleiß. Ich merke das jetzt auch. Man muss trotzdem noch für sich einen Weg finden, immer weiter zu üben und sich fortzubilden. Man muss am Ball bleiben. Bei TINA muss ich einfach nebenher für mich viel mehr üben. Aber auch Pünktlichkeit und der Umgang mit Kollegen sind sehr wichtig. Man muss einfach selber viel Energie reinstecken und darf sich nicht ausruhen. Das war am Anfang schwierig, den Tag neben den Vorstellungen zu nutzen und nicht nur für die Show zu leben. Das bedeutet für mich auch Selbstständig sein und Erwachsen werden, dem Tag, der Woche, dem eigenen Leben Struktur zu geben und sich dennoch frei zu bewegen. Das fand ich die größte Herausforderung. Man muss für sich herausfinden, wie teile ich meine Zeit ein und was für eine Struktur gebe ich dem Ganzen?
Hast Du das für Dich geschafft?
Ich arbeite noch daran. Es ist noch ausbaufähig.
Welche anderen Herausforderungen siehst Du in Deinem Beruf?
Bei 8 Shows die Woche ist es eine Herausforderung, das Stück immer wieder neu zu entdecken, nicht nur abzuspulen, sondern auf der Bühne alles zu geben.
Du stehst ja als Künstler in der Öffentlichkeit? Wie gehst Du mit den sozialen Netzwerken um?
Ich investiere nicht super viel Zeit, sehe aber trotzdem, dass es heutzutage hilft, wenn man in den sozialen Netzwerken aktiv ist. Instagram und Facebook helfen aufzuzeigen, was man macht. Man bleibt auf dem Radar der Leute, auch von Regisseuren. Aber man kann dadurch auch Familie und Freunden, aber auch Fans Einblicke in die Arbeit geben. Das ist ja auch schön, wenn man sich für die Show interessiert. Ich fand das vor dem Studium auch immer interessant, mal hinter die Kulissen zu gucken und Darsteller von der persönlichen Seite zu sehen. Ich hatte schon mal so ein paar unangenehme Beiträge. Aber das gehört leider auch dazu. Kritik ist OK, aber man sollte keine gemeinen Nachrichten hinterlassen.
Welchen großen Wunsch hast Du für Deine Karriere?
Ich fände es toll, wenn ich durch meinen Beruf noch viel herumkommen würde, wenn ich noch viele Orte entdecke, London oder Polen, wo meine Familie herkommt, oder mal ein Kreuzfahrtschiff, weil ich halt Reisen spannend finde. Ich finde es aber auch schön, irgendwo eine Basis zu haben, um immer wieder “nach Hause” kommen zu können, da das Umziehen und Reisen auf Dauer auch anstrengend werden kann.
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Das Interview führte Andrea Beumer, Mitbegründerin von UPTEMPO e. V.
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